Wahre Märchen

Die Liebe ist nicht wie in Disney Filmen, stimmt’s? Verzaubert ist man nur am Anfang. Die Magie lässt früher oder später nach.

Genauso wie Freundschaft nicht wie bei „Friends“ funktioniert. Man verbringt nicht jeden Tag zusammen. Man ist froh, wenn man in seinem Terminkalender einmal im Monat ein freies Fleckchen findet.

Seit ich denken kann, frage ich mich, warum das so zwangsläufig ist. „So ist das Leben“ ist die häufigste Antwort, die ich auf diese Frage bisher gehört habe. Es ist nur ein Märchen, die Geschichte vom glücklichen Zusammenleben bis ans Lebensende. An ihre Stelle tritt die Arbeit und der Stress, die kaputte Waschmaschine, To-Do-Listen und chronische Begeisterungslosigkeit.

Das Gefühl, dass diese Resignation nicht sein müsste, werde ich bis heute nicht los. Ich glaube immer noch, dass das Märchen wahr ist. Dass es meine eigene Entscheidung ist, ob mein Elan für meine Beziehung erlischt, kaum dass nach den ersten Wochen die Schmetterlinge im Bauch nicht mehr ganz so heftig mit den Flügeln schlagen. Dass ich es bin, die festlegt, wie viel Zeit und Raum ich meinem besten Freund einräume. Dass es meine Prioritäten sind, die bestimmen, ob es in meinem Leben in erster Linie um To-Do-Listen und kaputte Waschmaschinen geht oder um die Menschen, die mein Herz höher schlagen lassen.

Wenn ich am Anfang meiner Beziehung täglich Nachrichten schreiben und nachfragen kann, wie es dem Anderen geht – wieso wird das drei Monate später plötzlich zum Ding der Unmöglichkeit? Wenn ich Zeit habe, jeden Abend fernzusehen – warum erzähle ich meinen besten Freunden dann wochenlang, dass ich keine zwei Stunden übrig habe, um mich mit ihnen auf einen Kaffee zu treffen? Wenn ich vor dem Liebesfilm sitzen und von einem romantischen Abend träumen kann – weshalb kann ich nicht mein Handy in die Hand nehmen und mich mit demjenigen verabreden, mit dem ich genau das gerne erleben würde?

Und ich kriege mit, dass meine Nachbarin (mit Mann, Kindern und Job) dreimal die Woche mit ihrer besten Freundin joggen geht; und dass die beiden davor oder danach genügend Zeit haben, um auf dem Mäuerchen vor dem Haus zu sitzen und sich zu unterhalten. Ich weiß von meinem Bruder, dass er von Montag bis Freitag in der Mittagspause eine Nachricht an seine Frau schickt; und dass die beiden nach vielen gemeinsamen Jahren immer noch zusammen tanzen gehen. Ich kenne Menschen, die alles andere für mich stehen und liegen lassen, wenn ich sie gerade dringend brauche; und mit denen ich an einem normalen Mittwoch magische Momente erleben kann.

Und ich versuche auch selbst, jeden Tag aufs Neue zu entscheiden, was in meinem Leben Platz haben soll. Manchmal lebe ich dann tatsächlich im Disney Film.

Es gibt wahre Märchen, wenn wir sie Realität werden lassen.

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2 Gedanken zu “Wahre Märchen

  1. Daniel Dominguez Bardal

    Man kann es vielleicht lauter sagen aber nicht klarer.
    Jeder von uns entscheidet selbst wann wie oft und mit wem er sich trifft und vor allem wie wertvoll der andere oder die anderen für ihn selbst sind.
    Eine Beziehung oder eine Freundschaft muss man nie als alles erledigt sehen…..

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